Bayreuther Sieben - Franz Poenitz

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Bayreuther Sieben

Verband der Harfenisten in Deutschland (VDH) Heft Nr. 3 (1. Mai 1965):
Die Bayreuther Sieben
von Hans Joachim Zingel


Als Richard Wagner für die Eröffnung seines Bayreuther Festspielhauses mit der "Ring"-Tetralogie acht Harfen engagierte, tat er etwas, was aus heutiger Sicht vielleicht wie eine Besonderheit aussieht, historisch gesehen aber gar  nicht so abwegig und ungewöhnlich war. Im Napoleonischen Kaiserreich waren bei festlichen Anlässen Harfenchöre nichts Auffallendes, auch wurde in der Bardenoper des Pariser Hofkomponisten Lesueur schon eine Vielzahl von Harfen eingesetzt. Darüber hinaus machte der verhältnismäßig schwache Ton der Erardschen Harfen bei starker Orchesterbesetzung, wie sie die Romantiker nach Liszt und Berlioz liebten, zum mindesten eine Verdoppelung notwendig. Deshalb fordern noch Brahms und Bruckner gelegentlich mehrfache Besetzung der Harfen.  Der Gründe, derentwegen wir heute bei Wagneropern selten mehr als zwei oder höchstens drei Harfen zu hören bekommen, sind mehrere, - es würde zu weit  führen, ihnen hier nachzugehen. Fest steht, dass Wagner für den "Ring  des Nibelungen" von Anfang an je drei Spieler für die erste und die zweite Harfenstimme besetzen wollte. Und ebenfalls ist es eine Tatsache, dass noch im Jahre  1964 das Harfenseptett auf den Bayreuther Hügel gewirkt hat.
    Nachforschungen haben ergeben, dass in den ersten Jahren der Festspiele jeweils sogar acht Harfenisten tätig gewesen sind, wohl um bei sieben obligaten "Rheingold"-Stimmen  eine zusätzliche Harfe für die Bühnenmusik frei zu haben. Erst seit 1901 hat man sich damit abgefunden, mit sieben Musikern an der Harfe auszukommen.
   Wie es sich der Bayreuther Meister gedacht hat, wurden auch für die Harfengruppe erfahrene Orchestermusiker aus allen deutschen  Gauen zusammengerufen, vornehmlich aus dem Kreise der "fest besoldeten", im Sommer vom Dienst freien Mitglieder der Hofkapellen. So sind für den ersten "Ring" im Jahre 1876 neben der Bayreutherin Oleane Baker drei Wiener, ein Berliner, ein Münchener, ein Hannoveraner  und ein Braunschweiger genannt.
    Darunter befindet sich Franz Poenitz, Schüler von C. Grimm, sowie August Tombo, Klavierlehrer des jungen Richard Strauss und von diesem als Experte  für die "Feuerzauber"-Diskussion benannt; man hat sich einst bekanntlich über die Ausführbarkeit des Walküre-Schlusses auf der Harfe mit dem Komponisten unterhalten. In den Jahren 1882, 83 und 84,  in denen lediglich "Parsifal"  gegeben wurde,  spielten mit den "en bloc" verpflichteten Münchener Hofmusikern Lockwood und Zwerger A. Wiedemann, der von Braunschweig  nach Darmstadt  übergesiedelt war, und H. Vitztum aus Hannover, den nach einem Jahr W. Posse aus Berlin, der bekannte Etüdenmeister,  ablöste.
    1886 tauchen neue Namen auf: Der Weimaraner C. Frankenberg und A. Zamara, Begründer  der Wiener Schule. Erst 1891 tritt wieder ein Neuling hinzu: A. Löther aus Berlin. Ihm folgt 1894 der Budapester R. Mosshammer. Da in diesen Jahren der "Ring" nicht aufgef ührt  wird, kommt man mit vier Spielern zurecht. Waren Männer bisher auf der Liste der Harfner vorherrschend, so liest man im Jahre 1896  erstmalig wieder  Frauennamen:  Es sind EIsa Glass aus München und Julie Loser aus Wien. Neu sind außerdem Fr. Moser, Wien und  O. Süsse, Karlsruhe. In diesem Jahre sind 8, im folgenden nur 7 Harfenisten zusammen. Noch einmal und nun letztmalig  sind es 1899 acht,  unter ihnen H. Breitschuck, Darmstadt und Elisabeth  Eigl-Moser, Wien. Von 1901 an bleibt es beim "Septett", dessen Zusammensetzung freilich beständig wechselt.
    Es kommen A. Holy, Berlin, L. Richter, Frankfurt, Joh. Snoer, Leipzig  (1902),  der aus seinen Studien noch heute bekannt ist, und J. Foth,

Breslau, später   Berlin (1904) mit H. Ohme, Moskau. Und wieder sind es nur Männer, die sich in dieser Zeitspanne in Bayreuth zusammenfinden.
Erst 1906 setzt sich eine Frau durch  und  behauptet sich auch jahrelang als einzige: es ist A. Hopf-Geidel, Königsberg,  später Berlin. Zu nennen wären ferner M. Haupt, Bielefeld, später Berlin und H. Thiem, Hamburg, Senior einer Harfenistenfamilie. 1911 lesen wir den Namen von  R. Payr, Wien, dessen instruktive Etüden noch manchem unter uns bekannt sein dürften.  So geht es weiter bis zum Ausbruch des Ersten Weltkrieges, der die Kette der Wagnerspiele jäh unterbrach.
Während der Nachkriegsepoche  - unter der Aegide des Wagnersohnes Siegfried - erscheinen neue Namen in der Harfengruppe, und wieder befinden sich jetzt über Jahre hinaus zwei Frauen im Ensemble: Dore Giesenregen, unser Ehrenmitglied aus Hamburg, und Ria Schwärzelt-Endres, Schwerin, neben A. Gottschalk, Dresden und R. Lange, Budapest, sowie M. Haupt, A. Schimek, Karlsruhe und H. Thiem. Im Jahre 1926 treten Elisabeth Fischer, Magdeburg und Joh. Stegmann, Mannheim in Erscheinung. 1928 werden es mit Christine Meyer, Gern, später Dessau drei Damen. Neu sind unter den Männern E. Foehr, Braunschweig und H. Mazinczak,  Wiesbaden.
Neuer Wechsel ereignet sich 1933: Zu Foehr und Stegmann treten Max Saal und K. Zöller, Berlin, H. J. Zingel, Liselotte Bremer und Annemarie Helmert hinzu. Aber bereits im nächsten Jahre liest man wieder andere Namen: K. Gillmann, Hannover, Fr. Bonitz, Duisburg, Fr. Thiem, Schwerin, A.D. Metelmann. 1936 kommen Dora Wagner,  Berlin und  H. Thiem, Karlsruhe nach Bayreuth, 1937 kehrt Gottschalk zurück, auch Zoller ist wieder da, und dieselbe Besetzung wirkt 1938. In den folgenden und zumal in den Kriegsjahren wechselt  die Zusammensetzung, Friedel Ellguth hat ihr Debüt, zuletzt begnügt man sich für die "Meistersinger" mit vier Künstlern an der Harfe.
    Beim Wiederbeginn unter den Wagnerenkeln im Jahre 1951 erscheint eine neue Generation: Neben Fischer, Thiem und Zingel sind es Emmy Meisen, Hamburg, Hanna Gerlach, Leipzig, Jutta Zoff und R. Schmidt, Düsseldorf. In der Folge wechseln zwar wieder die Namen, einige Kollegen treten zurück, andere rücken auf, aber die Relation zwischen männlichen und weiblichen "Bayreuthianern" schwankt, mal schlägt das Pendel  nach der einen, mal nach der anderen Seite aus. Durchweg bleibt es beim "Septett", und immer ist das ganze Deutschland vertreten; erst in den allerletzten Jahren fehlen leider Ostdeutsche im Festspielorchester.
Unter den Neulingen in der "Bayreuther Sieben" während dieser dritten  Ära der Arbeit auf dem Hügel sind zu nennen: S. Handke und A. Fleischer 1952, Ingeborg Ludewig-Lohan 1953, Hans  Jacobs 1955, H. H. Mühlenbeck 1957, die Damen Reiff und Hardt 1958, H. Schnabel 1961, Lotte Novak, Ruth Konhäuser und W. Dressel 1962 sowie Erika Wünsch 1964.
    Wenn auch die Orchestermusiker jetzt nicht mehr im Sommer so sorgenfrei wie einst die "Hofmusiker" nach Bayreuth fahren können und oft zu Hause Schwierigkeiten mit der Beurlaubung und Vertretung haben, der einmalige Zauber der Arbeit auf dem Hügel, die festliche Atmosphäre des alten Markgrafenstädtchens und die Schönheit der landschaftlichen Umwelt locken doch immer von neuem  Kolleginnen und Kollegen, und so wird es wohl auch künftig alljährlich sieben Harfen in Bayreuth geben.


(Die Anregung zu dieser Übersicht und das erste Material verdankt  der Verfasser seinem verstorbenen Kollegen Johannes Stegmann, dessen hier in Dankbarkeit gedacht sei. Frl. K. T. Thiem fügte dankenswerterweise einige  ältere Fotos bei.)

 
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