Konzert-Tournée - Franz Poenitz

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Konzert-Tournée

von einem unbekannten Verfasser (evtl. Übersetzung eines Zeitungsartikels aus Skandinavien)

... In seinem 9. Jahr versucht der kleine Harfner zu einem weiteren Ausfluge zum ersten Mal die Kraft seiner Schwingen. Er flog zwar nicht auf gen Himmel, sondern hin gen Dänemark. Der Erfolg dieser Tournée, welche sich auch auf Schleswig-Holstein erstreckte, war ein so bedeutender – er spielte 18 Mal im Kasino zu Kopenhagen – , daß er sich im folgenden Jahr zu einer 2ten Reise ermutigt fühlte, welche diesmal Schweden & Norwegen zum Ziele hatte. Auch diese Künstlerfahrt hatte dieselben nach jeder Richtung hin lohnenden Resultate. Ein 94maliges Auftreten auf dem Minnetheater zu Stockholm spricht dafür.
    Abenteuerlich war die Überfahrt mittelst Dampfer nach Christiania¹. Ein furchtbarer Sturm wüthete während der ganzen Reise und drohte das Schiff zu zerschellen. Glücklich noch entgingen die Passagiere dem Verderben, doch ein Opfer mußte Aeolis doch haben, und zwar ein unserem Künstler recht schmerzliches – seine geliebte Harfe. Als er dieselbe aus ihrem Gehäuse nehmen wollte, bot sie den traurigsten Anblick, sie war eine Aeolsharfe der schlimmsten Art geworden, der Sturm hatte sie gänzlich vernichtet. Mit einem elenden Instrument mußte er sich weiter behelfen, während seine kostbare Pedalharfe zur Reparatur nach Kopenhagen geschickt werden mußte.
    Hatte unser junger Held solchermaßen seine gefahrvolle Wasserfahrt zurückgelegt, so sollte ihm auch zu Lande eine  seinem Leben nicht minder drohende  Fahrt nicht erspart bleiben. Im strengsten nordischen
Winter bei 35 Grad Kälte befand er sich von Christiania aus

6 Tage auf dem Wege nach Throndsen (Trondheim). Wiederholt blieben  sie dabei im Hochgebirge im tiefsten Schnee, der alle Pfade verweht hatte, mit ihrem Gefährt stecken, jede menschliche Spur schien verloren und der Tod des Erfrierens war’s, dem sie bereits in sein grimmiges Auge sahen, doch auch diesmal sollte  ein gütiges Geschick das Leben seines Lieblings bewahren, denn im Augenblick der höchsten Noth nahte menschliche Hilfe, welche die fast völlig Erstarrten auf den richtigen Weg und in ein schützendes Obdach brachte.
    Ohne weiteren Unfall wurde darauf die Westküste Norwegens entlang mittelst Dampfers die Rückkehr nach Bergen unternommen, Finnland und Estland noch durchzogen und endlich an künstlerischen Erfolgen reich die Rückkehr in die Heimath angetreten.  –  Nun war’s wahrhaftig genug des musikalischen Nomadenthums und eine Zeit der Muße und Sammlung trat ein, welche der jugendliche Wanderer zu theoretischen Studien bei dem berühmten Kontrapunktisten Professor Weitzmann benutzte. Doch  nicht lange dauerte diese Ruhezeit, die alte Wanderlust erwachte auf’s Neue und abermals wurde eine Reise unternommen, welche diesmal zunächst nach London sich richtete. Einer Einladung der Princess of Wales folgend, welche ihn vom Hof ihres  Vaters, des Königs von Dänemark bereits kannte, hatte der Harfenvirtuose hier die Ehre, auch vor der Königin von England und ihrem Hof seine Kunst produzieren zu dürfen.
    Dasselbe Aufsehen wie überall hervorrufend, durchzog er darauf Großbritannien und Holland und kehrte nach mehreren Monaten erst nach Berlin zurück. ...

¹Oslo, in der Namensform bis 1925

 
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